lineThe Novel

http://pierre-marteau.com/novels.htmlline

Stephen Andräs ohne Zu-Nahmen [pseud.],
Des politischen Bürstenbinders-Gesellen Lebens-Lauff (1705).

Stephen Andräs ohne Zu-Nahmen [pseud.], Des politischen Bürstenbinders-Gesellen Lebens-Lauff [...] von ihm selbst ans Tages-Licht gegeben (1705).

Image © University Library Augsburg

Des| Politischen| Bürstenbinders-|Gesellen| Lebens-Lauff| Oder| Reisebeschreibung,| Von| Ihm selbst ans Tages-| Licht gegeben,| Wird allen lustigen Gemü-|thern zu Verkürtzung der Zeit,| durchzulesen bestens re-|commendiret| [rule]| Anno 1705.

Description

frontispiece [Der Bürstenbinders-Geselle hält im ansonsten leeren Saal einer Dame, die soeben von einem galanten jungen Mann gebürstet wird, den Spiegel vor. Er bringt seinen Verkaufsspruch an: "Pürsten, Pürsten, lauter Pürsten". Sie antwortet "Monsieur kann recht gut pürsten"./ black & red title page/ 190 p. [illustrated]/ 12mo, 14cm

Shelf-markslink

{L: RB.23.a.400} {UB Augsburg Oett.-Wallerstein-Bibl. Signatur: 02/III.7.8.305 angeb.} ø{1/1a:} ø{14:}

Bibliographical Reference

Weber/ Mithal (1983), p.189.

Author

Preface signed: Stephen Andräs, ohne Zu-Nahmen, der edlen Bürstenbinders-Kunst Gefl.

History of Publication
  a this editionDes politischen Bürstenbinders-Gesellen Lebens-Lauff [...] von ihm selbst ans Tages-Licht gegeben (1705).
Remarks

Excerpt

Der Roman beginnt etwas besser als er verläuft. In zunehmender Monotonie werden Episoden aneinander gereiht, die dem Bürstenbinders-Gesellen, dessen Kunst das Durchstriegeln der Laster ist, Gelegenheit bieten, jenen, denen er begegnete, einen üblen Nachruf zu hinterlassen. Da er sich mit geringem Gepäck auf der Reise befindet, die eigentlich seine letzte am Ende der Gesellenzeit sein sollte, muß er dazu regulär um Feder, Tinte und Papier bitten. Seine Nachrufe ähneln den ausführlichen, die man auf Grabsteinen finden kann. Die Getroffenen werden indes eben als Exempla ihrer Laster vorgestellt, der Zettel mit ihrem Charakter wird dann zur allgemeinen Lektüre ihnen an die Türe gehängt - das Muster erlaubt gewisse Variationen. Der Bürstenbinders-Geselle changiert bei dieser Aktion nicht unerheblich zwischen dem kleinen Helden vom Schlage Cotalas, der zur Freude der schadenfrohen Leser häufig Prügel einstecken muß, und dem antiquierten Satiriker, der Latein und Französisch kann, wenn auch die Nachrufe nicht unbedingt von großer Kunst zeugen.

Verlauf: Der Geselle wird, während er gerade zum Frühstück einen Käse verzehren will und vor das Haus sieht, herbeigelockt von Musik, von Soldaten gefangen und gewaltsam mitgenommen. Er säuft mit den Soldaten, zertrümmert Mobiliar bei einem Bauern, entgeht der Bestrafung, da er noch neu ist, wird dem Versorgungszug beigeordnet, stiehlt Lebensmittel, flieht, um weiterer Strafe zu entgehen in einen Wald. Auf einem Baum nächtigend wird er Zeuge einer Auseinandersetzung zwischen zwei Räubern, die über ihre Beute in Streit geraten. Die Auseinandersetzung endet für den einen der beiden tödlich, der andere kann sich jedoch nicht mit dem Schatz davon machen, da der Bürstenbinders-Geselle in diesem Moment vom Baum stürzt und ihn damit in die Flucht schlägt. Der Erschlagenen läßt neben dem Geldschatz einer goldene Uhr ein Büchlein zurück mit vielen Kunststücken - unter anderem, wie man sich davor feit, erschlagen zu werden.

p.29-96. Begegnung mit einem Einsiedler, der sich als über neunzigjähriger Graf entpuppt. Der Mann erzählt sein unglückliches Leben: Im Gefolge des französischen Überfalls auf die Pfalz geriet er in die Notlage, Ludwig XIV. dienen zu müssen, dieser nahm sich zudem seiner Tochter an. In Paris geriet der Graf in die Bastille, die junge Deutsche mußte sich der Attacken des Königs erwehren, der Inhaftierte Vater riet ihr schließlich, dem König die Gefügigkeit zu versprechen, falls er den Vater freiließe. Mit der Tochter flieht der Freigelassene auf See, Schiffskatastrophe, in der die Tochter ertrinkt. Der Graf wird Gärtner auf einer Insel vor Spanien, er kommt nach Deutschland zurück und wird dort endlich Einsiedler. Der Bürstenbinders-Geselle erwägt die Unbeständigkeit des Schicksals. Wenn solches einem Grafen geschehen kann, wie viel Schlimmeres kann einem Bürstenbinders-Gesellen geschehen.

Es folgen Einzelepisoden, in denen böse Charaktere geschildert werden, mehr als daß sie sich durch Handlungen als solche entpuppen: Im ersten Wirtshaus ist es ein Rechtsverdreher, der nun selbst zu Schaden kommt. Der Held veröffentlicht den Nachruf wie Hunold sein Spottgedicht auf Mademoiselle Dählenlöperin veröffentlichte. Im nächsten Dorf ist Cürmeß - der Wirt kündigt dem einkehrenden Gesellen den Pfarrer an, der eine große Strafpredigt gegen die Laster hält, bevor er sich danach zu Fresserei und Alkohol aushalten läßt - der Mann ist ansonsten ein Geizhals. Auf der Reise ins nächste Städtchen wird der Geselle p.103 von einem Quacksalber aufgehalten, der ihm seinem balsam vitae verkaufen will. Ein komplexer Handel kommt zustande: Der Geselle verspricht dem Analphabeten, einen Werbezettel zu schreiben, der branchenüblich für die Verkaufssituation gedruckt wird (siehe den Werbezettel des Doktor Eisenbart von 1692link). Auf dem Zettel steht natürlich nicht, was der Quacksalber vermutet: ein höchstes Empfehlungsschreiben. Im nächsten Ort berichtet der Wirt p.109 ff. von einer Dame, die sich nach dem Tod ihres Mannes als Scheinheilige erweist - sie ruiniert den Haushalt, den sie erbt, die Kinder des Mannes gehen leer aus. P.119 gerät der Geselle in die Fänge eines Adligen, der ihn mit auf sein Gut nimmt - er soll dort Bürsten binden. Das hochherrschaftliche Gut entpuppt sich als Saustall, der Mann als Angeber außer Hauses. P.134 begibt der Geselle sich als Laquay in die Dienste eines wirklichen Herren - er sieht seine erste Comödie. Anläßlich einer Kindstaufe wird sie von reisenden Comödianten aufgeführt, gegeißelt wird ein angeberischer Soldat aus den jüngsten Kriegen in Ungarn und ein Dorflehrer - die Aktion wird vorab zusammengefaßt, da der spärliche Dialog mehr auf die Truppe vertraut, die Situationskomik daraus macht, denn daß er eine Handlung vermittelte. Das Stück brandmarkt mehr in einer Gegenüberstellung der Guten und Schlechten, die einander enttarnen, als daß es durch Aktionen unterrichtete. Der Laquay vergißt ob des Stücks seinen ersten Auftrag: den gedeckten Tisch zu bewachen. Ein silberner Becher kommt abhanden, er flieht und gelangt p.183 an einen eisgrauen Müller, der sich als sein Vater herausstellt. Zusammentreffen mit der Mutter, es soll die Geschichte folgen, die erklärt, warum die Eltern ihn nicht aufzogen, doch die muß auf eine Fortsetzung warten.

Dialektale Merkmale insbesondere p.107.