The Novel
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Schau-Platz| Der| Galanten und Gelährten Welt/| Welcher| Die mancherley Begebenheiten auf Universitäten| In einem Roman fürstellet/| Und| Einen jungen Menschen erinnert/ wie er sich an demselbigen| spiegeln soll/ damit er auf Academien Geld und Zeit vernünfftig| anwenden/ und von denselbigen mit Nutzen nach Haus gehen kan;| In| Zweyen Theilen| Schertz-und Ernsthafft eröffnet von| MELETAON.| [line of typographical ornaments]| Nürnberg/| In Verlegung Johann Christoph Lochners/ Buchhändlers.| Gedruckt bey Georg Christoph Lochner. An. 1711.
[2 pts. sep. pag.] 1: 2 pp. frontispiece [Student in Hausmantel und Mütze am Arbeitstisch mit Büchern, Zirkeln, Globus und geometrischem Gerät. Laute, Gambe und Perücke auf Stuhl, Bücherregale unter und zwischen den geöffneten Fenstern; draußen: Duell und Conversationsszenen; auf Wandbildern: Saufgelage und Liebesszene]/ 2 pp. black and red titlepage/ [8] pp. "Zuschrifft an die der Zeit in Jena studirende Nieder-Hessische Landsmannschafft"; signed: Meletaon/ [14] pp. preface dat.: Jena, 8.9.1711; signed: Meletaon/ p.1-504/ 2: new titlepage: "Anderer Theil"/ [6] pp. Zuschrift: "J. Christoff Löffelholtz de Colberg, Patricio Norimbergensi"; signed: Meletaon/ [8] pp. preface dat.: 18.9.1711; signed: Meletaon/ p.1-591/ 8°.
{12: p.o.germ.1180.l} {24:} {29:}.
Weber/ Mithal (1983), p.230-31. - G. Dünnhaupt (1990-93), p.3504: 7.2.
Meletaon, i.e. Johann Leonhard Rost (1688-
- (Nürnberg: J. Chr. Lochner, 1711).
- [only new titlepage] (Nürnberg: J. Chr. Lochner, 1712).
Bl. )( 2v: "Roman".
Vorrede zu Menantes, Neumeister und Vorbildern in der Poesie. Mit Menantes Kritik an den Opern. Zur Konzeption mit Ziel 2: Bl.5v: verwirrender Intriquen zu vermeiden. Zur Schreibart (ohne Mühe und mitunter, 2: Bl.7r: "in Compagnien unter dem grösten Tumult elaborirt"). Das meiste sei rein erfunden. - Zwanglos aneinandergehängt, durch viele Maximen kommentiert, zuweilen unterstrichen durch Ausrufe wie 2: p.360: "Wann doch diese Historie in einen Roman käme", Geschichten aus sächsischen Universitätsstädten, im 2.Thl. auch aus Tübingen, Stuttgart, Straßburg (2: p.18: Amour einer Operndame und eines Prinzen) und London (2: p.269: prunkvolle Empfänge). Pikantes (1: p.46: die Aktion einer "barmehrtzigen Curtisir-Schwester" in der Opern-Loge), Drastisches (1: p.221: der Fall eines Studenten, der mit seiner Liebsten herunterkommt, sie stiehlt und mordet in einem Wirtshaus, er verhungert im Wald; oder 1: p.418: die Execution eines anderen ob versuchten Mordes an einer Geliebten), Hanhnrey-Geschichten (1: p.317: von der Frau des Kaufmanns, die für 50 Ducaten sich prostituiert, um ihren heimlichen Amanten ausstaffieren zu können, dann dumm genug ist, eine Quittung über die gewährten Conditiones auszustellen), Rührendes (2: p.177: der Fürst, der bei Bettlern nächtigt und nicht ahnt, daß diese seine Tochter und der ihr versagte Liebste sind - Versöhnung), zudem von Romanen, die die Protagonisten lesen (1: p.235: Menantes, Europäische Höfe (1705/ 1709); 1: p.318: Menantes, Satyrischer Roman (1706); 2: p.361: Leander, Der verliebte Student (1710) [Bemerkungen, die sich auf Celanders Werk selbigen Titels von 1709 beziehen, auch wenn Meletaon das 1714 in den Cvrievsen Liebes-Begebenheiten leugnet.
Meletaons Das neu-eröffnete teutsche Briefe Cabinet (Nürnberg: J. Chr. Lochner [1713]),
Lob der ihn so hoch geehrt habenden Hessen.
Klage über Zeitnot - keine Viertelstunde überflüssig - die eine sorgsamere Ausarbeitung verhindert habe - zudem habe er keinen weiteren Roman mehr schreiben wollen:
Bey meinem Eremiten künfftig keine Roman mehr zu schreiben, ich muß wider Willen meine eigene Worte revociren, indeme mich der Herr Verleger, schon vor einer geraumen Zeit, um was Neues angesprochen. <1:Bl. )(v>
Gleichzeitig meldet er für die nächste Messe was Neues an, weiß aber noch nicht was - und hier kommt etwas Klassifizierung aus der Sicht der Autoren heraus:
[...] welches vielleicht auf was Asiatisches hinaus lauffen dörff-|<1:Bl. )(v,2r>te, dann immer bey einerley Schreib-Art zu bleiben, möchte so wohl mir als dem Leser verdrüßlich fallen, über dieses habe auch Nachricht daß meine Bellandra und Atalanta eben deßwegen aufgekauffet worden, weilen sie ausländische Begebenheiten enthalten. <1:Bl. )(v-2r>
Die gegenwärtige Materie sei fast durchweg erfunden, niemand solle sich davon getroffen fühlen. Und wer sich als Getroffener offenbaren wolle, wäre unklug, dieweil er sich dabei die Maske vom Gesicht risse.
Meletaon will <1:Bl. )(3v> nun bereits im siebenten Jahr studieren und dies auch noch fortsetzen. Manches sei vielleicht allzufrei zu Papier gebracht, er habe es absichtlich getan, auf daß man einen Eckel davor empfinden möge. Dem "Academischen Frauen-Zimmer" empfiehlt er, sich von den Studenten fernzuhalten, ganz wie es Sarcander empfahl (was interessant ist, in Anbetracht von Meletaons diesbezüglicher Distanzierung.
Die eingefügten Briefe seien <1:Bl. )(4v> zum Teil authentisch, die Poesien hingegen durchweg aus eigener Feder. Hier sind Vorbilder - Menantes und Neumeister prägend:
[...] und bitte, mir nicht als einen sonderbahren Eigensinn auszurechnen, daß ich viele Cantaten untergestreuet, als wie bereits in andern Romanen gethan, ich habe mich so sehre darein verliebet, da ich des galanten Herrn Menantes, und des unvergleichlichen Herrn Neumeisters edirte Cantaten gelesen, daß ich gar zu gerne diese delicate Art der Poesie lernen, und gute Einfälle finden möchte. [...] Über dieses, habe keine andere Lehr-Meister, als die Schrifften des gedachten Herrn Menantes, Neumeisters und des berühmten Herrn Benjamin Neukirchs, deßwegen ich mich nach ihrem Muster richten, das Übrige aber auf das Glücke|<1:Bl. 5r,v> ankommen lassen muß. Auf Schulen sind mir keine Reguln der Poesie fürgeschrieben worden, und auf Universitäten habe niemalen ein Collegium Poėticum gehöret. <1:Bl. 5r-v>
Dann geht es noch zur Oper - eine Fehde, da er zuvor gegen diese geschrieben hat, nun zitiert er des Menantes Opern-Kritik, aus der Manier, höflich und wohl zu reden, p.115, um sich vor den Angriffen zu schützen.
Beginn: Partenio kommt nach Silamindo (Jena?) - dort zu studieren - man säuft und frißt. Die Liebesgeschichten sind Standard - so die Partenios mit der Tochter des Hauses, in das er sich einlogiert. Seltsam ist's mit der Position des Autors bei den diversen Maximen (cf. 1:p.21) - kommentieren sie den schlechten Usus oder sind sie Ratschläge wie man's macht und machen muß?
<1:p.46> Eine Opern-Szene, in unserer Sammlung die drastischste. Clelie reist zur Messe nach Pelissenia [Leipzig?], trifft sich dort mit einem von Adel - drei Studenten aus ihrer Heimatstadt Silamindo belauschen sie bei ihren Aktivitäten in der Loge:
Clelie bliebe aber über acht Tage noch in Pelissenia, dann es hatte sie ein gewiser Cavallier,|<1:46> der an dem benachbarten Hofe zu Velconparte engagiret, sie kennen lernen, dahero er sie gar fleissig besuchet, er nahme sie mit in die Opern, woselbst er seine eigene Loge, in welcher sie die Zeit so vergnügt passirten, daß sich Clelie dieser Unterhaltung beständig wünschte.
Ich weis nicht, wie es sich fügete, daß einstens auch drey Silamindische Pursche in die Opera giengen, die sich in einer a parten loge gantz stille aufführeten, ja weilen sie zimmlich frühzeitig kamen, lehneten sie sich in die Stühle und schlieffen, dann sie hatten die vorige gantze Nacht, bis an den Morgen geschmauset, dahero sich dann der Schlaff in ihre Augen legete, und diejenige Ruhe forderte, welche ihme entzogen worden.
Unterdessen kam Clelie mit ihrem Amanten dem Cavallier, in der nächsten loge angestochen, welche von denen schlaffenden Nachbarn nicht die geringste Nachricht, deßwegen sie sich auch in ihrer Aufführung desto freyer bezeigete, und sich in der Manier einer barmehrtzigen Curtisir-Schwester von dem Cavallier bedienen liesse.
Ein Frauen-Zimmer, welches von Zucht und Schamheit keine Profession machet, dieselbe gibt ihre Lasterhaffte Regungen, auch bey der geringsten Gelegenheit, so deutlich bloß, daß man an ihr einen Abriß verwerfflicher Thorheiten erblicken kan. Und wann auch solche garstige Gemüther, ihre Lebens-Art gedencken in der Stille zu führen, ist doch die geheimste Untugend manchmal unverhoffet entdecket worden.|<1:46,47>
Einer von den drey Schlaffenden, wurde von einem Traum aufgewecket, dahero er sich etwas in die Höhe richtete, zu sehen ob die Opera noch nicht angefangen, dabey bedünckete ihn als ob er jemand in der rechten loge hörete, welches ihme bewoge aufmercksamer zu seyn, indeme ihme eine geheime Nachricht entdeckete, als er da was Neues vernehmen könnte.
Die Meinung schluge nicht fehl, und zu seinem Glücke war noch ein kleiner Ritz an der Wand, wodurch er diejenigen sehen kunte, die ihme durch ihr geheimes Gespräch zur Aufmercksamkeit Anlaß gegeben.
Ich trage Bedencken, die unverschämte und wollüstige Positur mit meiner Feder abzuzeichnen, welche so wohl der Cavallier als Clelie fürgestellet, dann sie ware von solcher Art, daß die Worte von ihrer Beschreibung wehrt, daß man sie aus der Welt gäntzlich verbannen sollte; ja ich kan nicht anderst glauben, als daß damahlen zwischen diesen beyden unzüchtigen Personen, alle menschlichen Eigenschafften verlohren gewesen, so sehr, daß man eine unvernünfftige Bestie ihnen in diesem Zustande vorziehen müssen.
Diejenigen, welche einem Tugend-hafften und erbaren Leben die Huldigungs-Pflicht geleistet, die sollten zwar nicht begreiffen können, daß ein vernünfftiger Mensch so weit aus den Schrancken tretten würde, daß er sich auch von dem Verstandlosen Viehe muste beschämen lassen:|<1:47,48> alleine, wer den Unterschied der Menschen durchwandert, und die mannigfaltigen Lebens-Arten erforschet, der wird mehr gluaben müssen, als er sich zuvor eingebildet.
Ausser der höchst-ärgerlichen Positur aber, welche Sileno, wie sich der erwachte Pursche genennet, gesehen, hörete er, daß Clelie anhub: Du bist viel zu schläfferig in deinen Begierden, und hast deine Kräfften entweder schon in andern Armen verlohren, oder du weist die rechte Art noch nicht, wie man ein Frauen-Zimmer, wie es verlanget, contentiren soll. Der Cavallier redete dagegen: Was den Teufel, Clelie bist du dann gar nicht zu ersättigen, bist du doch so abgemattet, daß du kaum mehr reden kanst, drum lasse mich mit Frieden, oder ich will " " " "
Der Cavallier kunte seine Worte nicht gar ausreden, dann es zerbrach der Stuhl, worauf sie beyde sassen, und sie fielen mit solchem Ungestümm zur Erden, daß die Leute, die in den andern Logen, und in par terre sich befanden, nicht anderst meineten, als ob das Opern-Haus zerbrechen wollte.
Von diesem Tumult wurden die zwey schlaffende Studiosi auch aufgemuntert, daß sie in die Höhe fuhren, und sich bey Sileno erkundigten, was dieser Fall zu bedeuten. Soleno kunte aber vor Lachen nicht antworten, alleine weilen sie hiervon gerne Nchricht haben mögten, spracngen sie aus ihrer Loge in die andere, welche aus|<1:48,49> Unachtsamkeit nicht zugeschlossen worden, diese eröffneten sie, und fanden da zwey Personen in einem Zustande, welcher zwar Lachens würdig, aber auch miserabel anzusehen ware.
Der gantze Handel verhielte sich so: Clelie mochte zu hitzig gewesen seyn, und ihren Amanten gar zu feste an sich und in ihre Arme getrücket haben, und weil dieser eine starcke Person, mag etwan die Last dem Stuhl zu schwer worden seyn, deßwegen er entzwy gebrochen, daß sie beyde zu Boden fallen müssen, und zwar so, daß Clelie über den halben Leib nackend lage, und sich ein Loch in Kopffe geschlagen, der Cavallier aber zerbrach den rechten Arm, daß also diese beyde an statt der Opera an sich ein Tragoedie sehen musten.
Sileno, der noch immer in Cleliens Loge lachte, so wol wegen der Worte, die er gehöret und der gantzen Affaire, die sich mit ihr zugetragen, erbitterte Clelien so sehre, daß sie grausam anhub zu fluchen, und nichts als Donner Blitz und Hagel um sich schluge, daß man auch von dem liederlichsten und nichtswürdigsten Menschen dergleichen Gottlosigkeiten nicht hören können. <1:p.49>
Eine Szene Roman-Rezeption: Der Amant erfuhr vom Gärtner den Aufenthaltsort seiner Dame, sie ist 1:p.232 als Kaufmanns-Tochter aus Pelissenia ausgegeben:
Er durffte nicht weiter gehen, so fand er Paulinen bey einer im Schatten stehenden Fontaine|<1:235> sitzen, welche ein Buch in der Hand, und sehr aufmercksam mit Lesen beschäfftiget ware. Sie observirete den Carlindro nicht eher, als bis er ihr bereits auf dem Halse, da sie sich in die Höhe richtete, zu sehen, wer ihr so nahe an der Seiten.
Carlindro machete ein sehr verpflichtetes Reverentz, und entschuldigte sich [...]
Paulina, die da Ehrgeitzig, und dergleichen Verpflichtungen gerne hörete, resolvirete sich Carlindern in Gesellschafft zu nehmen, damit sie die Zeit mit ihme passiren, auch sich sonsten an seinen verpflichteten Unterhaltungen ergötzen könte.
[...]|<1:236>
Nach den ersten Complimenten, welche Carlindro abgeleget, erwiederte Paulina mit einem ernsthafften Gesichte, wie sie eben keine allzu grosse Liebhaberin der Einsamkeit, doch weilen die Sommer-Lust wegen des herannahenden Winters sich bald endigen würde, wollte sie sich ihres Gartens noch so lange bedienen, und die Zeit mit Durchlesung artiger Romanen passiren.
[...]
Carlindro erkünete sich hierauf zu fragen, was dann vor ein Author die Ehre, von einem so artigen Kinde gelesen zu werden, da er dann die Antwort erhielte: Es ist der Herr Menantes, dessen Europäischen Höfe, Liebes-und Helden-Geschichte mich ungemein delectiren, und wo mein einfältiges Raisonament zulänglich, wollte ich sagen, daß dessen galante Feder keinen Roman so delicat als diesen ausgeführet, indeme ja kein Blat in dem gantzen Buche, welches man nicht mit der grösten Zufriedenheit durchlesen sollte.
Carlindro, der ein guter Kenner der Poesie und von diesen Schrifften, der muste die Meinung allerding billigen, sprechende: Ich habe|<1:237> zwar sonsten auch viele Romans durchgelesen, jedoch wollte ich wünschen, daß ein jeder, wie des Herrn Menantes Europäische Höfe eingerichtet gewesen, so dörffte ich sagen, daß noch nichts delicaters durchgeblättert.
Ich trage aber eine gantz andere Begierde, sagte Paulina, ich möchte nemlich die hierinnen vorkommenden Oerter und Personen alle wissen, dieses würde meinen Appetit zum Lesen weit mehr befördern, etliche davon habe ich entdecket, aus denen meinsten aber kan ich nicht klug werden, habe mir daher öffters einen Dollmetscher gewünschet.
Wann Mademoisellen dadurch einiger Gefallen geschiehet, erwiederte Carlindro, will ich augenblicklich gehen, und mein Exemplar holen, da neben an dem Rand, wo nicht alle, doch die meinsten Namen beygeschrieben, ja ich will versichern, daß mir nur etliche wenige fehlen, die aber von keiner Importanz, und also desto leichter, ohne vieles Nachdencken, zu überlesen.
Er stunde auf, und wollte gehen, alleine Paulina permittirte es nicht, sprechende, wie daß morgen noch Zeit [...] <1:p.237>
Eine weitere Szene unter Herren im Weinkeller - hier ist's, passend, ein anderer Roman von Menantes:
Er gienge selbigen Abend auf den Raths-Keller, ein Glas Wein zu trincken, woselbst er etliche Pursche antrafe, die unterschiedliche Discurse führeten, und dann auch auf die Romaine zu reden kamen, daß manchmahl in denselbigen so lustige Streiche vorfielen, absonderlich aber delectirten sie sich an den artigen Liebes-Calender in des Herrn Menantes Satyrischen Roman, über dessen Innhalt, weilen der eine ein Exemplar bey sich, sie sich sehre zerlachten, und dabey auch allerhand Glossen macheten, welche hier zu erzehlen, wegen der Weitläufftigkeit, erspahret wird. <p.318>
Die Stelle taugt zu Anfügung der 50-Ducaten-Quittung - siehe Bemerkungen.
In Erinnerung an Gymnasial-Zeit und in Anerkennung der vorbildlichen Haltung zu studieren.
Zur Konstruktion des Textes - zwei Teile, damit der Leser nicht gar zu Lange auf ein Ende wartet - dabei Rolle der Intrigen:
Dasjenige, welches die Neugierigkeit verursachet, nemlich die verwirrten Intriquen, habe bey dieser Schreib-Art aussen gelassen, weilen die Begebenheiten meistens nach der Ordnung tractiret, welches verhoffentlich nicht unangenehme falle dörffte. [...] sonsten aber ist es eines von den Requisitis der Romanen, die Geschichte durch mancherley Verwirrungen zu pręsentiren, indeme sie den Leser aufmercksamer, die Begebenheit aber de-|<2:)(5v,6r>sto angenehmer machen. <2:Bl.)(5v-6r>
Interessantes von der Art des Verfassens solcher Texte - hier würde nicht langwierig gefeilt, vielmehr ist Geselligkeit der Ort:
[...] woran ich weder Zeit noch Mühe wende, sondern meine Sachen zu Papier bringe, wie sie mir einfallen. Diejenigen, so mit mir umgehen, oder sonsten kennen, werden es wol wissen, daß vieles in Compagnien unter dem grösten Tumult elaborire, wie dann alle hierinnen sich befindende Verse so verfertiget, auch daß ich mir die Nägel und Finger nicht darüber abbeisse. <2:Bl. )(7r>
Einen Tumult der hiesigen Academie habe er außen vorgelassen, wiewohl er gut gepaßt hätte - dies um Ärger zu verhindern. Wieder ermahnt er jeden, der sich getroffen fühlen könne, zum eigenen Vorteil zu schweigen.
Die Opern-Szene ist sehr lang, in ihr zeigt sich wie ein Opern-Frauenzimmer seine Darbietung auf einen ganz bestimmten Zuschauer abstellen kann, hier singt sie kleine Arien hinzu und tanzt auch besonders auf ihn verweisend.
Erwähnter Roman von Leander liegt unter dem Ofen, dort als Papier für den Fidbus von nöten:
Indeme sie so redeten, mangelte es am Papier, oder an den so genannten Fidibus, damit man die Tobacks-Pfeiffen anstecket, deßwegen Gerano den Amando daran erinnerte, und bat, er möchte ertwas herbey bringen. Dieser zog un-|<2:361>ter dem Ofen etliche gedruckte Bögen Papier her, davon er den ersten oder vördern in Stücken reissen wollte, als Gerano ein Kupffer erblickete, und selbiges aus Curiosité zu sehen verlangete.
Wie es Amando hinreichete, erblickte Gerano den Titul: Der verliebte Student, in unterschiedlichen Liebes-Intriquen zu vergönnter Gemüts-Ergötzung, vorgestellet von Leandern. Cölln Anno M DCCX. Wo gedencken sie hin? sagte Gerano, der Herr Auctor nennet seine Arbeit eine vergönnte Gemüths-Ergötzung, und sie wollen Tobacks-Fidibus daraus machen, wan er es wüste, er sollte diese Beleidigung als eine Crimen lęsę Majestatis aufnehmen.
Amando erwiederte, es sind mir von der Leipziger Messe 2. Exemplaria von einem guten Freunde zugeschicket worden, weilen er gewust, daß ich ein Liebhaber von Romanen, alleine, da ich es durchlesen, befande ich, daß keine miserablere Arbeit jemalen in dem Druck erschienen, als eben diese Scarteque des Leanders, dahero auch das eine Exemplar zu Schnuptüchern gebrauchet, das andere aber soll guten Freunden zum Tobackanzünden dienen.
Soll dann gar nichts darinnen seyn, fragte Gerano, welches verdienet gelesen zu werden? Nicht eine Zeile versetzte Amando, ausser, wann man wissen will, was der so genannte Leander vor ein verliebter Wurm gewesen, und wie er von seinem Liebes-Glücke prahlet, aber auch dieses ist mehr zu beweinen, als zu belachen, wei-|<2:362>len er die abgeschmacktesten Sachen vor der Welt vorgebracht.
So bin ich doch curieus, den rechten Auctorem zu wissen, gab Gerano, hat er sonsten nichts weiters geschrieben? Nicht einen Buchstanben, antwortete Gerano, ausser etliche Predigten aus Postillen, dann mon Frere muß wissen, daß er ein Theologus, der schon etlichsmalen geprediget, er hat erstlich auf der Universität Giessen, und dann in Halle studiret, ja wo mir recht, auch in Leipzig, doch habe mir sagen lassen, daß er an dem letztern Orte mehr Zeit mit Depauchiren, als mit Studiren zu gebracht, sein Name aber ist, wie leichtlich zu erachten, aus dem Griechischen hergeholet.
Das dachte ich gleich, erwiederte Gerano, daß es ein Griechischer Name, und nun kenne den Auctorem selbsten, ist es nicht wahr, er ist eine kleine Person, und unweit Franckfurt zu Hause, es soll mich selbsten bedüncken, als ob ich ihn in Halle gekannt. Gantz recht, sagte Gerano, mon Frere hat es errathen, dann man kan den Vogel an den Federn, oder an der Stimme erkennen, ja, wann er auch schon die ersten, wie dort der Raab bey dem Aesopo, verstellen wollte, so wird er doch an dem Gesang verrathen.
Es zeigete hierauf Amando dem Gerano etliche Passagen, darinnen sich Leander sehr vergaloppiret, und erzehlete weiter, wie er sich mit diesem Pasquill renommiret, daß er sich bey Hohen und Niedern in grosse Ungnade|<2:363> gesetzet, daß er auch schwehrlich in seinem Vaterlande eine Employ zu hoffen, weilen er in seiner Scarteque Leute von Extraction angetastet, die ihme doch unter die Arme greiffen, und zu einem Dienst verhelffen können, so aber wird er nun wohl einen Dorff-Schulmeister, oder einen Herrn Johannes abgeben müssen, der kaum genug Brod zu essen.
Gerano blätterte etwas in dem Tractätgen herum, und fand sehr nachdenckliche Sachen, welche ihm Amando alle explicirete, und noch dabey entdeckete, wo Leander von sich selbsten geschrieben, und wie er sich nicht gescheuet zu eröffnen, daß er wider das sechste Gebot gesündiget, sondern wohl noch gar einen Staat daraus gemachet, gleich als ob er noch so was Rühmliches fürgenommen. <1:p.363>
Die Sache geht noch was weiter, Gerano liest alles durch, befindets vor unwert und warnt fernere Leser.
o.s.