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[Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg,]
Zugabe zum Beschluß der römischen Octavia, [vol. 6] (Nürnberg: J. Hoffmanns Wittib/ E. Streck, 1707).
line by Stephan Kraft

[Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg,]  Zugabe zum Beschluß der römischen Octavia, [vol. 6] (Nürnberg: J. Hoffmanns Wittib/ E. Streck, 1707).

Zugabe| zum Beschluß| Der| Römischen| Octavia.| [vignette]| Nürnberg/| In Verlegung Joh. Hoffmanns sel. Wittib/| und Engelbert Streck.| Anno M DCC VII.

Description

Titel [I]/ Leerseite [II]/ "Danck=Opffer An den hohen Verfasser dieses Werckes/ über den glücklich geendeten Schluß" gez. M[aria] R[ahel] S[treck] [III-X]/ Kupfer [1]/ Text mit vier weiteren Kupfern [2-1029].

Shelf-markslink

{UB Amsterdam 2409 D 9} {1: Yu 6146a} {UB Bonn: Fa 552/5} {StB Braunschweig: I 22/194} {DUL Durham: N.C.: Jantz 384} {7: Fab. Rom. VI 2189} {39: Rom.8.p.2264} {3: Dd 73} {3: II d 652} {3: AB-B 7288} {35: Lh 71} {35: Lh 72} {BS Katowice: 231 835 I} {RB Lüneburg: DL 108} {ZB Luzern: B 61} {YUL New Haven, Conn.: Faber du Faur 838a (Mikrofilm Reel 222)} {45: Spr. XIII 3 a 24} {Paris, Privatbesitz} {BNU Strasbourg: Cd 131 709} {32: 14,5:59f} {UB Wien: I 120 602} {23: Lo 75.6} {SA Wolfenbüttel: LB 2805} { SA Wolfenbüttel: M 1348}

Bibliographical reference

Weber/ Mithal (1983), p.210. - G. Dünnhaupt (1980), 17.VI; (1990), 19.VI.1 - M. Bircher (1982), B 206 - HKA I (1993), pp. CXVIIIf.

Author

Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (1633-1714)link

History of Publication

Sechster Band der ersten Fassung der "Römischen Octavia". Cf. zur vollständigen Publikationsgeschichte: Octavia römische Geschichte, [vol. 1] (Nürnberg: J. Hoffmann, 1677).link

Die nicht verkauften Exemplare dieses Drucks wurden zudem 1711 unter neuem Titelblatt im Rahmen einer Gesamtausgabe nochmals angeboten.link

Remarks

Enthält mehrere wahrscheinlich autorfremde Gedichte, die jedoch nicht sicher zugeschrieben werden können.

Introduction

Cf. zu einer Kurzeinführung und knappen Entstehungsgeschichte des Romans: Octavia römische Geschichte, [vol. 1] (Nürnberg: J. Hoffmann, 1677).link

Histoires à Clef

Die folgenden Ausführungen stellen eine für diesen Zweck leicht überarbeitete Fassung von Kraft (2004), pp. 96-99, dar.

Der Band enthält auf den pp. 165-193 die bekannteste der Schlüsselgeschichten in der "Römischen Octavia", "Die Geschichte der Prinzeßin Solane", in der die sogenannte Königsmarck-Affäre nacherzählt wird, die unglückliche Liebesgeschichte zwischen der Hannöverschen Prinzessin Sophie Dorothea und dem Grafen Philipp von Königsmarck, die bereits 1705 von [Christian Friedrich Hunold=] Menantes in "Der Europäischen Höfe Liebes- und Helden-Geschichte"link ebenfalls verschlüsselt thematisiert worden ist.

Im Jahr 1694 sorgte ein Skandal in der Residenz des Kurfürsten Ernst August in Hannover für Gesprächsstoff an den Höfen Europas. Die Kurprinzessin Sophie Dorothea ist wegen eines Fluchtversuchs festgenommen worden, und gleichzeitig verschwand der aus altem brandenburgischen Adel stammende Graf Königsmarck, der sich zuletzt am Hof in Hannover aufgehalten hatte, spurlos. Von offizieller Seite wurde ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen abgestritten.

Sophie Dorothea, geboren 1666, war die nachträglich legitimierte Tochter des Herzogs Georg Wilhelm aus der Lüneburger Linie des Welfenhauses mit Residenz in Celle und seiner Mätresse Eleonore d'Olbreuse, einer Französin aus niederem Adel, die Georg Wilhelm später vom Kaiser in den Grafenstand erheben ließ und auch offiziell heiratete. Dies führte zu einer politisch - vor allem erbrechtlich - nicht unproblematischen Situation. Georg Wilhelm hatte nämlich 1658 seine damalige Braut Sophie von der Pfalz an seinen Bruder Ernst August, den Fürstbischof von Osnabrück und späteren Kurfürsten von Hannover, abgetreten, nachdem er sich auf einer Italienreise eine ansteckende Krankheit zugezogen hatte. Er wollte daraufhin zölibatär leben und setzte als seine Erben Ernst August und dessen Nachkommen ein.

Bereits im Alter von zehn Jahren wurde Sophie Dorothea mit August Friedrich verlobt, dem ältesten Sohn Anton Ulrichs. Die Frage, ob Anton Ulrich sich auf Dauer mit der eingeschränkten Erbberechtigung seiner zukünftigen Schwiegertochter zufriedengegeben hätte, erübrigte sich, als Friedrich August bereits zwei Jahre später auf einem Feldzug umkam. Bei den neuerlichen Eheverhandlungen, bei denen sich auch der zweite Sohn Anton Ulrichs unter den Bewerbern befand, fiel die Wahl schließlich auf Ernst Augusts Sohn Georg Ludwig, den Erbprinzen von Hannover.

Die 1682 geschlossene Ehe zwischen Sophie Dorothea und Georg Ludwig verlief unglücklich. Georg Ludwig hielt sich eine Mätresse und vernachlässigte seine Frau, und Sophie Dorothea begann ab etwa 1690 ein geheimgehaltenes Verhältnis mit dem Grafen Königsmarck. Durch Auswertung der umfangreichen und meist verschlüsselten Korrespondenz konnte Georg Schnath (1930, publiziert in Regestenform 1952) nachweisen, dass es im Laufe des Verhältnisses der beiden tatsächlich zum Ehebruch gekommen ist.

Sophie Dorothea versuchte mehrfach vergeblich, ihre Scheidung von Georg Ludwig durchzusetzen. Im Sommer 1694 schließlich plante sie die Flucht zusammen mit Königsmarck und ihrer Hofdame Eleonore von dem Knesebeck. Die Flucht sollte entweder nach Wolfenbüttel zu Anton Ulrich gehen oder nach Kursachsen, wo der Graf eine Offiziersstelle innehatte. Dies war der Augenblick, in dem Ernst August eingriff: Königsmarck wurde ermordet und seine Leiche in die Leine geworfen. Sophie Dorothea und die Knesebeck wurden festgesetzt und verhört. Die Prinzessin wurde später wegen böswilligen Verlassens von ihrem Ehemann geschieden und für den Rest ihres Lebens bis 1726 (also insgesamt 32 Jahre lang) in Ahlden in der Lüneburger Heide festgesetzt.

Eleonore von dem Knesebeck, die eine ehebrecherische Beziehung zwischen Sophie Dorothea und Graf Königsmarck noch jahrelang geleugnet hat, wurde ebenfalls gefangen genommen. 1697 gelang jedoch ihre Befreiung aus dem Gefängnis, und sie konnte sich nach Wolfenbüttel zu Herzog Anton Ulrich flüchten.

Die Geschichte Sophie Dorotheas, die eng mit dem Leben Anton Ulrichs selbst verknüpft ist, nutzte der Herzog insgesamt dreimal als Vorlage zu einer Schlüsselepisode in der "Römischen Octavia". "Die Geschichte der Prinzeßin Solane" wird für die zweite Fassung des Romans mit einem neuen Schlüssel versehen und leicht überarbeitet. Sie erscheint dort unter dem Titel "Die Geschichte der Rhodogune".link Die Vorgeschichte der Königsmarckaffäre wurde bereits in der "Geschichte des Julius Sabinus und der Epponilla" im dritten Band der ersten Fassung erzählt.link Diese Geschichte wird auch im dritten Band der zweiten Fassung wieder abgedruckt.link

"Die Geschichte der Prinzeßin Solane" erzählt die Geschichte Solanes/Sophie Dorotheas von der Vorgeschichte ihrer Eltern über die komplizierten Verlobungsverhandlungen, die unglückliche Ehe in Pharnacia/Hannover, das Zusammentreffen mit Aquilius/Königsmarck, die gemeinsamen Fluchtpläne und deren Entdeckung bis zu ihrer Verurteilung und jahrzehntelangen Inhaftierung in Tyana/Ahlden nach.

Bei aller Detailgenauigkeit in der Schilderung fällt eines ins Auge: An einer zentralen Stelle weicht die Darstellung bei Anton Ulrich deutlich von dem ab, was als historischer Verlauf der Geschehnisse rekonstruiert werden kann. Das Verhältnis zwischen Sophie Dorothea und Graf Königsmarck war nämlich keinesfalls nur rein platonischer Natur, wie es der Roman glauben machen will:

Er [Aquilius/Königsmarck] war bereits in seiner Kindheit viel an des Polemons Hofe gewesen/ und daselbst mit der jungen Solane fast auferzogen worden/ welches eine so sonderbare vertrauligkeit und freundschafft unter diesen beiden erwecket/ daß Solane niemand hatte/ deme sie ihr hertz dergestalt offenbaren können/ als eben diesen jungen Römer/ und mochte wohl seyn/ daß aus dieser stets anhaltenden verträulichkeit an seiten des Aqulius mehr als eine freundschafft entstunde/ so er jedoch dergestalt zu bergen wuste/ daß er ihme selbst gleichsam nicht wolte wissen lassen/ was er in seinem hertzen entpfände. (p. 169)

Daß Anton Ulrich das ehebrecherische Verhältnis von Sophie Dorothea und Königsmarck verborgen geblieben sein sollte, muß bei seiner sonstigen Kenntnis der Verhältnisse am Hof von Hannover als sehr unwahrscheinlich gelten. Vielmehr läßt sich die Annahme, daß Anton Ulrich im Gegenteil sehr gut Bescheid wußte, durch eine von Leibniz überlieferte "Relation" aus dem Jahr 1695 stützen, deren Herkunft man über Paris und Kopenhagen bis nach Wolfenbüttel zurückverfolgen kann. Das intime Verhältnis wird hier vorsichtig angedeutet - zumindest aber wird es, wie es später im Roman geschehen sollte, mit keinem Wort abgestritten:

Pendant ces entrefaites le comte de Konigsmarc vint au service d'Hanover, et l'ancienne tendresse se reveilla. [...] il réussit bientot a reprendre place dans son affection d'autant plus aisement que la princesse n'estoit pas contente. (Leibnizens Auszug aus der Relation von 1695, p. 233)

Anton Ulrich hat also aller Wahrscheinlichkeit nach wissentlich die Unwahrheit gesagt. Mögliche Gründe lassen sich aus den Reaktionen ablesen, die die Veröffentlichung dieser Schlüsselepisode ausgelöst hat. Liselotte von der Pfalz wartete geradezu darauf, daß die Skandalgeschichte in einer Schlüsselerzählung in einem Roman des Herzogs behandelt würde. So schreibt sie am 10. Juli 1707 an Sophie von Hannover:

Ich habe die gedult gar woll, der printzes von Allen [Sophie Dorothea] historie zu leßen. Es frewet mich recht, daß I.L. einen neüen roman ahnfangen; wißen E.L. den tittel nicht davon? (Elisabeth Charlotte, 1891, 2. Band, p. 162)

Nachdem sie die "Geschichte der Prinzeßin Solane" schließlich gelesen hat, stellt sie in einem weiteren Brief an Sophie von Hannover vom 25. Juli 1708 auch Vermutungen darüber an, warum die Begebenheiten vom Herzog so und nicht anders dargestellt wurden:

Daß der hertzog die Solane vor unschuldig will passiren machen, ist, um haussehre zu retten. (Elisabeth Charlotte, 1891, 2. Band, p. 184)

Damit nun hat Liselotte allerdings nur zur Hälfte recht. Zwar betont die "Geschichte Prinzeßin der Solane" durchaus die Unschuld der Hauptheldin, doch bringt sie ihre Inhaftierung mit den gemeinsamen Fluchtplänen mit Aquilius/Königsmarck in Verbindung und benennt auch ausdrücklich den Mord an ihm. Dadurch bricht sie ein Tabu, denn schon die Erwähnung des Namens Königsmarck im Zusammenhang mit der Inhaftierung der Prinzessin wurde in Hannover sorgfältigst vermieden. Über den Verbleib des Grafen und Offiziers in sächsischen Diensten gibt man an, nichts zu wissen, und Sophie Dorothea wird auch nur wegen ihres geplanten Fluchtversuchs angeklagt, nicht etwa wegen eines Ehebruchs.

Von der "Geschichte der Prinzeßin Solane" und der "Geschichte der Rodogune" gibt es eine kommentierte Paralleledition mit Schlüsseln zu beiden Geschichten: Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig und Lüneburg: Solane und Rhodogune. Die zwei Geschichten der einen Sopie Dorothée Prinzessin von Ahleden. Mit einem editorischen Vorbericht hg. von Jeanne Vandré. Überleitungen und Anhang von Maria Munding. Hannover 1996 (= Schriftstücke, 3).

Vgl. zu dieser Schlüsselerzählung weiterhin vor allem Munding (1974), pp. 135f. und 207f., und Mazingue (1978), pp. 528-550, die ebenfalls ausführliche Schlüssel bieten. Vgl. weiterhin Kraft (1998), pp. 24-26 und 26-28, und Kraft (2004), pp. 96-99. Weitere Literatur, die sich speziell mit der Königsmarckaffäre selbst und ihrer literarischen Bearbeitung durch Anton Ulrich und andere befasst: Hisserich (1906), Schnath (1930, Bd. 3: 1978), Königsmarck-Briefwechsel (Edition, 1952), Singer (1955), Frenzel (1988), Westernhagen (1997) und Kraft (2002).link

Key

Für "Die Geschichte der Prinzeßin Solane" nach Mazingue (1978), p. 535, und Munding (1996), p. 114.

Herzogtum Wolfenbüttel : Soracien

Wolfenbüttel : Upaca

Anton Ulrich : Zorzines

Herzogtum Celle : Cappadocien

Celle : Amasia

Ahlden : Tyana

Georg Wilhelm : Polemon
Eléonore d’Olbreuse, seine Frau : Dynamis
Sophie Dorothea, ihre Tochter : Solane
Alexandre d’Olbreuse, Bruder Eléonores : Pharasmanes
Bernstorff, geheimer Rat : Bartoces

Herzogtum Hannover : Ponto

Hannover : Pharnacia

Ernst August von Hannover : Mythridates
Sophie von Hannover : Adonacris
Maximilian Wilhelm, ihr Sohn : Mythridates
Georg Ludwig, ihr Sohn : Cotys
Sophie Dorothea jr., Tochter Sophie Dorotheas : Ormöna
Graf Platen, Premierminister : Elimar
Gräfin Platen, seine Frau : Potentiane
Graf Königsmarck : Aquilius
Gräfin Schulenburg, Mätresse Georg Ludwigs : Tecklea
Eleonore von dem Knesebeck : Erzählerin

Preußen : Königreich der Adorser

Friedrich Wilhelm I. von Preußen : König der Adorser

Kurfürstentum Sachsen : Syrien

Frankreich : Armenien

Ludwig XIV. : Orodes

Wien : Rom

Kaiser Leopold : Claudius

Niederdeutsch : Bosphoranisch

Literatur

Cf. ausführliche Bibliographie: Octavia römische Geschichte, [vol. 1] (Nürnberg: J. Hoffmann, 1677).link Vgl. auch die Literaturangaben zur Schlüsselerzählung.

© 6 Apr. 2004